Donnerstag, 11. März 2010

Strelitz und: Die Pappkartons

So ganz nüchtern war Strelitz nicht mehr, als er weit nach Mitternacht die "Sachsen-Unhalt-Bar" verließ, in der er Stunden damit verbracht hatte, seine innere Zeitmaschine durch Bierkonsum zu aktivieren; indes schaffte das auch dieses Mal nicht. Strelitz wunderte sich über den merkwürdigen geruch vor der Bar, musste aber feststellen, dass es sich wohl um frische Luft handelte. Er atmete tief durch. In solchen Momenten kamen Strelitz immer die besten Ideen und er ar sich zudem sicher, dass sich nachts sich seine Ideen sowieso am allerbesten umsetzen ließen. Einmal hatte er ein Spinnennetz gegessen und ein andermal hatte er mit glimmenden Schwefelplättchen einer Abfalltonne heiße Träume beschert. Zu Schaden gekommen war in beiden Fällen niemand. Und mit dem gestohlenen Kruzifix der ”St. Ignatius”-Kirche hatte er ebenso wenig zu tun, auch wenn er es am anderen Morgen unter seinem Kopfkissen wiederfand. Das musste irgendjemand dort versteckt haben um ihn in Verdacht zu bringen. Wer das gewesen sein konnte, dazu hatte Strelitz auch schon einen Verdacht. Es gibt eben böse Menschen auf der Welt, dachte Strelitz und versuchte den Fangarmen der Krake auszuweichen, die ihn von rechts anfassen wollte.

Während er die Otto-Schott-Straße hinab lief richtete sich der Kern seiner Gedanken auf OSKA, die Ostdeutsche Kartonagenfabrik Auersleben, der er vor ein paar Jahren in einem Ideenwettbewerb einen neuen Slogan verpasst hatte. Fürstlich hatten sie ihn damals dafür entlohnt. Von der Heichelheimer Kloßkönigin bekam er zwei Zungenküsse mit feiner Schweinebratensoße und von Dr. Ing. Feldhase (ehemaliger Kombinatsleiter des VEB Gustav Papp Karton- und Einwicklungsbehältnisse und heutiger Manager von OSKA) das Versprechen, Strelitz zukünftig immer mit Kartonagen in Größe C 9 zu versorgen bei monatlicher kostenloser Lieferung von acht Kartons, da die Auerslebener seinerzeit nicht über die nötigen Barmittel verfügten um ihm den ersten Preis des Wettbewerbs auszuzahlen.

”OSKA - Wir packen es...” war Strelitzs Gewinnerspruch und zwei Jahre später hatten sie es auch gepackt. Allerdings nur damit wenig später der französische Mischkonzern ”Mamouth” OSKA übernehmen konnte und Strelitzens Slogan schnell für 80.000,-- € an die Konkurrenz ”Setra-Park” verkaufte. Um die Marke ”OSKA - Wir packen es...” hatte sich unter anderem auch die SPD beworben, jedoch wegen plötzlich auftretender parteiinterner Probleme hiervon wieder Abstand genommen. Strelitz dachte darüber nach, weshalb ihn Dr. Ing. Feldhase, wenn er ihm schon keine Gewinnbeteiligung würde abgeben können, nicht wenigstens von der monatlichen Kartonplage erlöst hatte. Der Mann hatt eim Gegenteil in einem Anflug von schlechtem Gewissen die Anzahl der monatlichen Kartons auf zehn erhöht. Nur um Strelitz eine Freude zu machen.

Diese Nacht richtete sich der Kern von Strelitzens nächtlichen Ideen also auf OSKA und deren regelmäßig eintreffenden Lieferungen. Was kann ich tun mit zweihundertfünfundneunzig zusammengefalteten Pappkartons - nachts um drei Uhr einundzwanzig?, fragte sich Strelitz und hatte plötzlich eine Idee.

Es war fast zwölf Uhr am Vormittag, als Strelitz vom Geräusch der Trompeten von Jericho mitten aus einem Traum gerissen wurde in dem Wesen aus der Welt von Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel einen Karnevalsumzug veranstalteten. Er stand widerstrebend auf und ging zum Fenster. Vor seinem Haus staute sich der Verkehr und ein Notarztwagen versuchte verzweifelt sich den Weg freizukämpfen. Was habe ich bloß heute Nacht gemacht, fragte sich Strelitz,d freute sich aber gleichzeitig, dass in seiner Wohnung plötzlich soviel Platz war. ”Bin ich durch die Straßen gezogen? Aber was haben Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel damit zu tun?” Strelitz hatte nicht die geringste Ahnung. Er fand bloß, dass heutzutage viel zu viel umgezogen wird.

Sein Telefon klingelte. Strelitz nahm an un das 11. Revier war am Apparat. Freunflich fragte man an, ob er einige Pappkartons vermissen würde, die nun, über die halbe Stadt verteilt am Straßenrand stehen und Parkplätze blockieren würden. Man hätte in Auersleben angerufen und ihn als den einzigen Großabnehmer der Stadt in Erfahrung gebracht. Strelitz gab erst einmal gar nichts zu. Ob er denn einmal unverbindlich zur Wache kommen könne?, fragte man ihn. ”Kein Problem”, sagte Strelitz, zog sich an, machte sich auf zur Polizeiwache und nahm vorsichtshalber auch das Kruzifix der ”St. Ignatius”-Kirche mit. Die Krake auf dem Wohnzimmertisch könnte er ja morgen immer noch abgeben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen