Dienstag, 16. März 2010

Strelitz begleitet HRK 2003: (6) Ein Akt sozialer Hygiene

05. Juli 2003: Der WuKi-Notruf hatteStrelitz am 25. Juni 2003 kurz nach 13 Uhr erreicht. "Strelitz", sprach eine ihm bekannte Dame am Telefon, "es ist noch nicht vorbei. Gehe am 5. Juli nach Frankfurt am Main und berichte!" Dann legte sie auf und wie in 'C.O.B.R.A. - übernehmen sie' vernichtete sich Strelitzs Telefonapparat von selbst. Soll ich wirklich ein siebentes Konzert der 'Rückenwind'-Tour besuchen, fragte er sich. Aber solcherlei Gedanken waren müßig - Auftrag war schließlich Auftrag. Und nicht umsonst hatte er wegen solcher Anrufe vier neue Telefonapparate im Schrank.

Als erstes fütterte Strelitz seinen Bordcomputer mit den Daten des Abends: 19 Uhr 15 - ROLF STAHLHOFEN / 20 Uhr 05 - KIM SANDERS / 20 Uhr 50 - LEA FINN / 21 Uhr 30 - YVONNE CATTERFELD / 22 Uhr 05 - HEINZ RUDOLF KUNZE + VERSTÄRKUNG / 22 Uhr 45 - DANIEL LOPES / 23 Uhr 30 - KOOL AND THE GANG / 0 Uhr 50 Uhr – B3 / 1 Uhr 30 - RODGAU MONOTONES / 2 Uhr 20 – CAMOUFLAGE / 03 Uhr 40 - BROOKLYN BOUNCE.

Nach einer knappen viertel Stunde hatte Bordcomputer "Mäksimilien" die erste Hochrechnung parat. "Analyse: Es gibt drei Acts, die mehr Bühnenzeit haben als HRK. Es sind: KOOL AND THE GANG, CAMOUFLAGE und die RODGAU MONOTONES. Heinz + Band haben genau so viel Zeit zum Spielen wie ROLF STAHLHOFEN, KIM SANDERS, LEA FINN, YVONNE CATTERFELD, DANIE LOPES und B3. +++++ Ich werde drei Playlists vorschlagen, denn 40 Minuten Programm sind ja noch nicht mal eine Stunde (oder in Prozent ausgedrückt: genau 25 % der 'Rückenwind-Tour'). Außerdem dürften Umbaupausen abgehen." - Wie immer waren Mäksimiliens Analysen absolut authentisch; autistisch ohnehin. Es dauerte noch nicht einmal fünf Minuten und Mäksimilien lieferte Strelitz die Playlists.

"Ich schlage folgendes vor: # 1 / Die 'DanielLopez&YvonneCatterfeld'-Playlist +++++ 1) Himmelfahrtskommando 2) Da müssen wir durch 3) Mach auf 4) Rückenwind 5) Es ist nicht wie Du denkst 6) Schön und gut 7) Aller Herren Länder V.2003 8) Wozu Feinde 9) Dabei sein ist alles 10) Dein ist mein ganzes Herz. +++++ # 2 / Die 'Ich habs versucht'-Playlist +++++ 1) Der Schlaf der Vernunft 2) Manchmal 3) Balkonfrühstück am Pfingstmontag 4) Noch hab ich mich an nichts gewöhnt 5) Folgen Sie mir weiter 6) Meine eigenen Wege 7) Alles was sie will 8) Ich glaub es geht los 9) Alles gelogen 10) Ich hab's versucht +++++ PL # 3 / Die 'LeckMich'-Playlist +++++ 1) Hereinspaziert 2) Die Entbeleidigung der Stammtische 3) In der Sprache, die sie verstehn 4) Leck Mich (ultralange Rhythm'n'Blues-Version) 5) Ich hasse Dich 6) Ekelhaft 7) Man kann doch zu sich stehen, wie man will V.2003. +++++ Ich habe ermittelt, dass Playlist # 3 am rundesten laufen würde. Jeder Song passt musikalisch zum anderen. Der Sprechtext ist an der richtigen Stelle platziert. Eine fast ideale Kombination für einen 40 Minuten Live- Event als ein Akt sozialer Hygiene."

"Wir werden sehen..." schrieb Strelitz an Mäksimilien und dann ins WuKi-Forum.

Am 5. Juli fuhr Strelitz kurz nach sechs Uhr morgens los, wie immer bei solchen Anlässen natürlich mit den gecoverten Schuhen. Um 8 Uhr 30 war er in Frankfurt am Main angekommen und zwanzig Minuten später hatte er sein Auto im Parkhaus an der Konstabler Wache abgestellt. Nachdem er sich vergewissert hatte, wo sich die Bühne befand ging er um 9 Uhr zu 'Burger King' an der Neuen Kräme und frühstückte. Unfassbar, was er vor der Bühne gesehen hatte: Hunderte von Superstar-Fans hatten dort die Nacht in Schlafsäcken verbracht und Spruchbänder aufgespannt mit Texten wie: "Daniel - Ich will ein Kind von Dir" und "Yvonne - Darf ich Dich schwängern (Ich war auch schon 'mal bei BIG BROTHER)". In Strelitzs Kopf setzten sich Bilder zusammen, von dem, was sich hier in knapp 12 Stunden abspielen würde: Kreischende Teenies, die Yvonne C. gar nicht mehr von der Bühne lassen wollen. Dann Opa Heinz. Plötzlich, mitten im Auftritt, fangen die Teenies wieder an zu kreischen, weil irgend jemand das Gerücht gestreut hat, er habe Daniel Lopes schon gesehen. Obwohl Heinz mit Zeitverzögerung anzufangen hatte werden alle 'D-Lo'-Fans darauf drängen, dass ihr Star pünktlich anfängt. - Nahezu ideale Bedingungen für einen unvergesslichen Auftritt von HRK+Verstärkung. Und Strelitz durfte alles live miterleben.

Am Abend war Strelitz nicht mehr ganz allein auf sich gestellt. Jetzt war er einer unter fast 70.000 Fans vor der Hauptbühne und das waren mehr als doppelt so viele Besucher als auf der gesamten 'Rückenwind'-Tour. Yvonne Catterfeld hatte bereits gegen 20 Uhr 40 nach vier Playback-Übungen den Fans Adieu gesagt und nun warteten alle auf Heinz. Der saß derweil hinter der Bühne und fragte sich, was um alles in der Welt er 40 Minuten lang zwischen zwei Superstars verloren hatte. Damals 2000, im Osten, auf der 'Parkbühne Wuhlheide', als er nach Nena und vor PUR eine Stunde lang auftrat, war es ja noch fast ein Heimspiel gewesen. Die musikalische Beziehung zwischen Nena, ihm und PUR war die Rockmusik gewesen und: Es hatte funktioniert. Genau zur gleichen Zeit, damals, war Frau Catterfeld zur 'Stimme 2000' gewählt worden und startete kurz danach ihre Karriere bei "GZSZ". Und D-Lo hatte sich damals dazu entschieden, seine Zahnspange gegen ein Latino-Grinsen einzutauschen. Das waren noch Zeiten und Heinz stand noch für Rebelleganz, rhetori-schelmische Einlagen und Rock’n’Roll. Heute Abend aber ging es um sein künstlerisches Über-Leben.

Es war 20 Uhr 07 als Strelitz auf seine Uhr sah und Heinz + Verstärkung mit dem Himmelfahrtskommando für Gefühle und Verstand begannen. Der Sound beim Sound of Frankfurt war mies und sollte sich auch während der folgenden 36 Minuten nicht mehr verbessern. Obwohl Heinz den Fans zurief "Da müssen wir durch", war an ein Ankämpfen nicht zu denken. Jemand hatte die Gitarren in die hinterste Ecke gestellt und die Mikros der Verstärkung komplett gestohlen. Von Funkenverkehr nicht der blasseste Schimmer. Ach, dachte Heinz, deshalb singen die anderen Playback. Strelitz konnte live miterleben, wie sich die Freunde langsam entfernten. Willi, einer der ältesten HRK-Fans, die neben Strelitz standen, brachte es auf einen Satz: "Heinz reißt heute nichts mehr."

Doch Heinz wäre kein Profi gewesen, wenn er es nicht noch ein weiteres Mal versucht hätte. "Schönen guten Abend..." sagte er und suchte nach den richtigen Worten. Aus seinem Mund kam "...mach auf Frankfurt - mach auf!". Diesmal spürte er, was das hieß: "Ich fühle Dich beinah". Aber das Publikum versagte ihm die Loyalität. Schweißperlen auf der Stirn. Nein, dieses Publikum hatte es nicht verdient, zu erfahren, dass ein neues HRK-LiveAlbum folgen sollte. Und es hatte sich zudem noch nicht einmal die erste Anzahlung der Ironie von "Schön und gut" erworben. "Kannst Du mir noch folgen..." spach Heinz und neben Strelitz fanden sich wenigstens noch Einige, die "Meine eigenen Wege" mitsingen konnten. Hier bestand noch etwas Hoffnung, dass sie "Mabel" gut fanden. Am Ende des Liedes gab es mit Ulmers Keyboard-Solo den einzigen wirklichen Lichtblick des Konzerts.

Nachdem er die Band vorgestellt hatte setzte Heinz den Schlusspunkt mit "Dein ist mein ganzes Herz". Einmal davon abgesehen, dass man ihm ein unsägliches Roland- Keyboard aufgezwungen hatte (die Flügel hatte man allen anderen verliehen) funktionierte auch das Instrumental-Medley mit "Wenn Du nicht wiederkommst" nicht; aber wer von den Zuschauern hatte überhaupt verstanden, was Heinz mit "...und jetzt ihr.." meinte.

"Danke schön und viel Spaß noch: Tschüss!" sagte Heinz und das war’s dann auch gewesen: 36 Minuten HRK + Verstärkung zwischen Yvonne Catterfeld und Daniel Lopes. Nicht Einer für alle sondern Einer unter vielen. Und damit in der Tat ein unvergesslicher Auftritt von HRK+Verstärkung. Vor allem dank des Teleprompters, den Heinz in den 36 Minuten beinahe 365 Mal angeschaut hatte. - Was bleibt, am Ende der Zeit, war das Urteil, dass der Richter vergaß zu verkünden. Dafür übernahm es Mäksimilien:

"Ich stelle fest: Die 'DanielLopez&YvonneCatterfeld'-Playlist wurde fast erfüllt. Und: Heinz war als Sänger besser als Frau Catterfeld und Herr Lopes: Auch ein Akt sozialer Hygiene."

[R. I. P. Barry White]

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