Dienstag, 9. März 2010

Strelitz findet heraus: Für Geld machen die alles

Was ich jetzt erzähle ist die Wahrheit und zwar die reine Wahrheit und nichts, das ich wüßte könnte mich hiervon abbringen.

Es war morgens kurz nach neun Uhr, als ich den Eisenwarenladen im Frankfurter Bahnhofsviertel betrat. Zwei Männer standen hinter dem Tresen und, was mich überraschte, beide glichen sich in Aussehen, Kleidung und Körpergröße, wie ein Ei dem anderen. Gut gestylte Zwillinge eben, nicht ungewöhnlich aber doch überraschend. ”Schön ihre Bekanntschaft zu machen...” sagte der eine zu mir und der andere ”...nett Sie kennen zu lernen.” ”Was können wir für Sie tun?” fügten beide unisono hinzu. Ich sagte, dass ich ein Kastenscharnier bräuchte mit einer Länge von 35 cm und 8 cm breit. ”Ein Kastenscharnier...” wiederholte der eine und der andere fuhr fort ”...mit einer Länge von 35 cm und 8 cm breit?” ”Das können wir ihnen leider nicht verkaufen” sagten beide nach kurzem Nachdenken. Ich machte ihnen ein Angebot zur Güte: Es könne auch etwas breiter sein, aber mindestens 32 cm lang. ”Das haben wir auch nicht...” sagte diesmal der zweite und sein Ebenbild fügte hinzu ”...wir führen nur Biomassenlogistik.”

”Biomassenlogistik” dachte ich und spontan fiel mir die türkische 280 Kilofrau ein, die man neulich mit einem Gabelstapler aus ihrer Hütte transportieren musste um dann per Tieflader ins nächste Kreiskrankenhaus gebracht zu werden. Aber ich befand mich bei Eisen-Beck und wollte ein Kastenscharnier. ”Das hier ist doch ein Eisenwarengeschäft und was hat Biomassenlogistik damit zu tun.” ”Entschuldigen Sie, aber ich kann Ihre Frage nicht verstehen. Ich nehme an, es geht Ihnen um Wahrheit, nicht um ein Kastenscharnier...” sprach der links hinter dem Tresen stehende, während der rechts stehende hinzufügte ”...ich vermute deshalb: Ihre Frage ist ironisch und meint das Gegenteil. Es gibt keinen einzigen Hinweis, dass Sie sich nicht in einem Laden für Biomassenlogistik befinden.” Ich schaute Sie an. ”Vor dem Laden hängt ein Schild, darauf steht Eisen-Beck. Ich war schon viele Male bei Ihnen und habe scho nimmer Eisenwaren hier gekauft. Mein Schwiegervater war hier lange Hausmeister und meine Schwiegermutter hat hier immer geputzt. Meine Herren, entschuldigen Sie, aber DIES IST EIN EISENWARENLADEN.”

”Mein Herr, ich habe mich, trotz Bedenken der Ärztin, gesund schreiben lassen, weil mehrere Nutzer gesagt hatten, dass ich dringend auf meiner Arbeit gebraucht werde...” sagte der rechte Mann. ”...er wurde aber am ersten Arbeitstag ohne Warnung, Begründung ausgesperrt, er durfte sogar seine Sachen nicht mitnehmen...” ergänzte der linke. Die Sache fing an mich zu interessieren. ”Erzähle ruhig weiter, der Herr ist ganz Ohr...” sprach der linke Mann zum rechten. Dieser kam der Aufforderung nach und sagte: ”Ich wurde ohne Abmahnung, ohne Begründung von Teilen des Vorstandes ausgesperrt, entlassen, verleumdet und dass, obwohl ich mir arbeitsmäßig nichts hatte zu schulden kommen lassen, meine Arbeitsfähigkeiten gebraucht waren und sind.” Der rechte setzte nach: ”Es war und bleibt ein sozial- und kulturpolitischer Skandal. Ich vermute, Sie stimmen dem zu.
Eine Forderung nach Entschuldigung/Entschädigung ist Selbstverständliches. Ich vermute, Sie stimmen auch dem zu.”

Ich würde allem zustimmen, sagte ich, wenn ich nur ein Kastenscharnier mit einer Länge von 35 cm und 8 cm breit bekäme.

”Das tut uns leid...” sagten beide im Gleichton ”...wir führen nur Biomassenlogistik.” Ich versuchte die Situation etwas aufzulockern und fragte danach, wie wohl das Fußballspiel am Wochenende ausgehen würde. ”Es wäre wieder einmal Zeit für einen Sieg...” sagte der eine Mann und der andere ergänzte ”...über die Vernunft.” Der rechte fuhr fort: ”Mit was handeln Sie, wenn wir Sie fragen dürfen?” Ich erklärte, dass ich von Beruf her Diplom-Verwaltungswirt bin, machmal auch ohne ‚...waltung...‘, und dass ich in meiner Freizeit Texte schreibe. ”Texte,...” sprach der eine ”...richtige reine und wahre Texte...” ”...etwa solche Texte, die literarisch dicht und in ihren Anspielungen provokant sind.” ergänzte der andere. Einfach Texte, sagte ich, nicht mehr und nicht weniger. ”Würden Sie uns einen eben solchen Text vortragen?” fragten sie. Ich schaute auf die Uhr, es war kurz vor halb zehn, und ich überlegte, welchen meiner Texte ich in etwa zwei Minuten erzählen konnte. Ich entschloss mich für einen kurzen, aber literarisch dichten und in seinen Anspielungen provokanten Text. Und ich begann zu erzählen...

”Keine falsche Handbewegung”, sagte der Wehrsportgruppenführer zu seinen Wehrsportgruppen, die sich in einer wichtigen Übung im Teuteburger Wald befanden, als der Polizeiwagen näher kam. ”Alles stillgestanden, Kammeraden, aber um Gottes Willen keine Verweigerungshaltung annehmen.”

Zwei gut Uninformierte entstiegen ihrem silber-grünen Mercedes und kamen auf die Sportler zu. ”Was können wir für sie tun?” fragte der Wehrsportgruppenwolf freundlich. ”Wir suchen den End-Führer des Geistes der Bundesrepublik....” sagte der ältere der beiden und der jüngere ergänzte: ”...in allerhöchstem Auftrag.” ”Das trifft sich gut,...” erwiderte der Wehrsportgruppenführer ”...genau den suchen wir auch. Aber vorher müssen wir erst noch die Judikative abschaffen; das sind wir unserer Vergangenheit schuldig.” ‚Schuldig oder nicht schuldig? - Das ist hier die Frage...‘ waren sich die beiden Ordnungshüter einig. Und eine Lösung hatten sie auch schon parat.

Jetzt sprach der Jüngere: ”Jeder gute Deutsche sollte es als seine Pflicht und Schuldigkeit ansehen, dem Staat zu dienen. Dem Europäischen Staat. Unter Deutscher Flagge, die zu zeigen keinen Affront darstellt sondern höchstens eine Huldigung.” ”...auf gar keinen Fall aber eine falsche Handbewegung ist, ...” fuhr der ältere fort”... unter Berücksichtigung der Römischen Verträge. Salve!” --- ”Salve!” erklang es im ganzen Wald und diesmal machten alle keine falsche Handbewegung sondern die richtige und wenn sie nicht gestorben sind, dann arbeiten sie schon an der nächsten.

Salve!

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