Donnerstag, 11. März 2010

Der Doktor ist nicht da

(... sondern ganz woanders)

Auch Tshi-Kei hatte jetzt einen Zettel an ihrer Tür befestigt, stellte Strelitz fest. Darauf stand “Der Doktor ist nicht da!”. Welcher Doktor, dachte er und klingelte. Tshi-Kei öffnete die Tür und sagte: “Ach Du bist es!” “Ja, ich.” sagte Strelitz. “Sag mal, welcher Doktor ist denn nicht da?” “Ja, ich.” sagte Tshi-Kei. - “Wie, Du?” fragte Strelitz zurück. “Bist Du denn Doktor?” “Ja, klar” sagte Tshi-Kei. “Ich bin Doktor, wie Du!” - “Aber warum bist Du nicht da, wenn Du doch da bist?” sagte Strelitz leicht verwirrt. “Weil der Doktor nicht da ist.” antwortete Tshi-Kei.

Um die Wortspiele nicht ins Endlose auszudehnen sprach Strelitz: “Jetzt einmal ganz ruhig. Du bist also Doktor, wie ich, also sozusagen der Mülleimer für verirrte und verwirrte Seelen, und jetzt bist Du aber kein Mülleimer, weil der Doktor nicht da ist. Oder?” “Genau”, sprach Tshi-Kei “nur mit dem kleinen Unterschied, dass ich gerade dabei bin, den Mülleimer auszuleeren.”

“Kann ich Dir dabei helfen?” fragte Strelitz. “Dr. Strelitz ist nämlich gerade frei und würde sich freuen, wenn er einen Hausbesuch bei Dir machen dürfte.” “Warum sagst Du denn nicht gleich, dass Du reinkommen willst?” sprach Tshi-Kei mit leicht entrüstet gespieltem Unterton. “Weil ich Dir helfen will”, versuchte Strelitz zu kontern, kam aber nicht weit, weil er sich der Rückfrage ausgesetzt sah, was er denn überhaupt vor Tshi-Keis Tür zu suchen gehabt habe. “Dich”, sagte Strelitz und betrat Tshi-Keis Wohnung.

“Legen Sie sich hin, machen Sie sich frei - nur so daher gesagt und allein bezogen auf alle Sorgen - und dann legen Sie bitte los.” Strelitz sprach so, wie er Sigmund Freund immer im Geiste sprechen hörte. “Was wollen wir als erstes aus dem Mülleimer holen, oder wollen Sie ihn auf einmal ausschütten?” Tshi-Kei regte an, doch gleich ihr Herz mit ausschütten zu wollen und fing an zu erzählen.

“Alle wollen immer nur etwas von mir und ich bin viel zu gutmütig um abzulehnen und habe deswegen schon soviel für andere getan, dass für mich selbst kaum Zeit bleibt.” “Und glauben Sie, dass andere ihre Gutmütigkeit ausnutzen? – Wenn ja, geben Sie mir ein paar Beispiele.” Tshi-Kei brauchte nicht lange nachzudenken. “Also, da wäre der Geburtstag meiner Kollegin. Erst musste ich alles organisieren wg. des Geschenkes. Ich fragte sie aus, was ihr wohl gefiele, sammelte das Geld ein, kaufte das Geschenk, packte es ein und stellte es ihr morgens auf den Tisch. Eigentlich wollte ich, dass es diesmal jemand anderes macht, aber dann hätte es wahrscheinlich kein Geschenk gegeben und andererseits sagten alle zu mir: Du hast das immer so gut gemacht, Du kannst das, mache es auch dieses Mal wieder. Das sind so endlose Schleifen, da komme ich einfach nicht heraus.”

“Aber zu hause, da ist das doch anders?” Strelitz gab die Hoffnung noch nicht auf. “Zuhause? Zuhause wollen immer alle nur etwas von mir und ich bin viel zu gutmütig um abzulehnen und habe deswegen schon soviel für andere getan, dass für mich selbst kaum Zeit bleibt.” “Und wie steht es zu hause mit der Gutmütigkeit?” “Also, da wäre der Geburtstag meiner Tochter. Erst musste ich alles organisieren wg. des Geschenkes. Ich fragte sie aus, was ihr wohl gefiele, sammelte das Geld ein, kaufte das Geschenk, packte es ein und stellte es ihr morgens auf den Tisch. Eigentlich wollte ich, dass es diesmal jemand anderes macht, aber dann hätte es wahrscheinlich kein Geschenk gegeben und andererseits sagten alle zu mir: Du hast das immer so gut gemacht, Du kannst das, mache es auch dieses Mal wieder. Das sind so endlosen Schleifen, da komme ich einfach nicht heraus.”

Strelitz gab die Hoffnung auf. “Leider kann ich ihnen da im Moment nicht weiterhelfen” sagte er. “Sie brauchen mir auch nicht weiter zu helfen. Das war schon ein ganz guter Anfang”, meinte Tshi-Kei “jemanden zu haben, der einen versteht, der dem Doktor hilft, wenn er nicht da ist. Das war schon ganz in Ordnung.”

Und sie sahen sich an und verstanden sich und die Welt von ihnen war wieder ein kleines bisschen ordentlicher geworden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen