Dienstag, 16. März 2010

Strelitz begleitet HRK 2003: (2) Gecoverte Schuhe

11. Mai 2003: An den Schuhen konnten sie ihn erkennen. Und natürlich auch an seiner Gitarre, einer legendären Phoenix 'Blue Hour' aus Ahorn- und Palisanderholz. Die hatte Strelitz umhängen, als er sich am frühen Nachmittag in der Münchner Zellstraße aufbaute und den Passanten Kunzes Lieder vorspielte. "Leg nicht auf" und "Wenn Du nicht wiederkommst" wurden wohlwollend aufgenommen; der absolute Renner war aber seine neue Textpassage von "Rückenwind": "...vielleicht bringst Du mich ja weiter - bis ich meine Krücken find‘...". Kein Thema: Alle konnten es ja sehen, dass Strelitz nur noch ein Bein hatte.

Während er so spielte, dachte Strelitz darüber nach, wer seine musikalischen Oberlehrer waren. Damals, als er anfing Musik zu machen, als er eine Fender F-25 hatte und noch mit beiden Beinen im Leben stand. Bob Dylan gehörte sicherlich dazu. Den musste man einfach lieben. Und übersetzen. Weil man doch als Deutscher in Deutsch so vieles besser ausdrücken kann als in Englisch. In Englisch kann man gut schwindeln. Wenn einem der Text entfallen ist, ein paar mal auf dem Kaugummi rhumcowen und keiner hat etwas gemerkt. Aber in Deutsch, da muss jeder Satz stimmig sein; in dreifacher Hinsicht.

Wie oft hatte Strelitz in den Siebzigern mit Dylans-Klassikern abgeräumt: "Retter vor dem Sturm", "Ganz wie ‘ne Frau" oder "...und du denkst: Dieser Scheiß geht zu weit!". Das waren seine Versionen und man liebte ihn dafür. Dylan war Strelitzs Oberlehrer Nummer eins und 'Before the flood' sein Unterrichtsstoff. - Und wer waren die anderen? Neil Young natürlich, mit und ohne Crosby, Stills & Nash. Wie viele Male Strelitz durch die "4-Way-Street" gegangen war, das wusste er selbst nicht mehr. Aber Neil ohne Anhang war fast noch besser und ein kleines Werk namens "Sugar Mountain" Strelitzs Favorit. Von Young -mehr noch als von Dylan- hatte er seine Liebe für das freihändige Mundharmonikaspiel.

Natürlich: 'The Who' gehörten auch zu Strelitzs Idolen und selbstverständlich auch die 'Kinks'. Kein Wunder also, dass "Ich bin ein Af-fe" und "Ich bin so frei" aus seinem Repertoi nicht wegzudenken waren. Strelitz liebte auch die Geschichtenerzähler wie den frühen Marc Bolan oder Donovan. Donovans "Atlantis" hatte Strelitz schon 1975 perfekt übersetzt, aber mit dessen "Colours" tat er sich schwer und sang es lieber im Original. Dafür war er auf "Unbekannter Salamander" besonders stolz, denn man sagte ihm, es käme besser als Bolans Original.

Mit die härteste Schule durchlief Strelitz mit Mike Herons "Incredible String Band". Zwar ging es schnell, bis er die Akkorde von "Singing the Dolphin through" konnte. Dafür dauerte der deutsche Text endlos. Und als er "Ich singe durch den Delphin" gerade fertig hatte, kam die Earth Band und alle wollten das Lied nur noch in Englisch hören. Aber von der "ISB" hatte Strelitz nicht weniger als 8 Lieder drauf. Angefangen vom "Leuchtturm-Tanz" bis hin zu zwei, drei Jigs, die er mit Hundharmonika als Geigenersatz spielte. Und nochwas hatte mit der "ISB" zu tun: Strelitz war in Lakritze verliebt.

Deutsche Musik hatte Strelitz damals nicht im Programm, außer solche mit seinen eigenen Texten. Der anglo-amerikanische Einfluss war also in der Frühphase seines Musiklebens prägend und spürbarer als heute, was sich auch... - "Bist dua der Strelitz? - I' bin die Svennie" sprach ihn eine rothaarige Dame mittleren Alters an. Strelitz wurde abrupt aus seinen Gedankenflügen zurückgeholt. "Ja" sagte er überrumpelt; sie hatte ihn kalt erwischt. "Schoad" entgegnete sie und fügte an "Dera echte Strelitz hätt gsogt: 'I bin net...' - I moan: 'Ich bin nicht Strelitz'". - Strelitz schaute sie überrascht an. "Nix fiar unguat", sagte die Rothaarige "I muss. Heit spiealt Kunze in dera Mufathalle, doa hinna. Gehens doch moal hia. Es wära a geiles Konzert; hot Strelitz gsogt."

Na dann, dachte Strelitz, wird’s auch "...scho stimma!". Und er wusste: Am Freitag in Erfurt würde er mit den Eisheiligen kommen und der kalten Sophie als Zugabe und die würden ihn 'schoa' beschützen, denn: An seinen Schuhen konnte man ihn jederzeit erkennen. An seinen gecoverten Schuhen.

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