Donnerstag, 11. März 2010

Strelitz feiert: Valentinstag mit Gabel

Herz-Seifen, Herz-Duftkissen, Herz-Teelichte, Herz-Kuchen, Herz-Bilderrahmen, Herz-Schlag. Für diese Invasion an Herzen gab es nur eine plausible Erklärung: Es war wieder Valentinstag! Strelitz war sich sicher, dass die Herz IV-Kommission hier endlich einmal ganze Arbeit geleistet hatte.

Was vor einigen Jahren noch jenseits des Atlantiks ein nahezu unbeachtetes Asyl führte, überschwemmte neuerdings alljährlich die Kaufhäuser, Geschenk- und Kartenshops. In den Medien waren das allerdings 'uralte Bräuche', die nur wiederbelebt wurden. Der Valentinstag soll ja irgendwas mit den Mayas zu tun haben, dachte sich Strelitz. Die schnitten damals ihren Opfern das Herz aus dem Leib und hielten es, immer noch zuckend, in die Höhe. So eine Frau kannte Strelitz auch. Sie hatte ihm das Herz erst gebrochen, dann aus dem Leib gerissen und mitgenommen. Lange hatte es gedauert, bis er so etwas wie ein Herz in seinem Körper wieder finden konnte. Und das war mit Sicherheit kein Einzelfall. Auch Heinz Rudolf Kunze hatte einst von einer solchen Frau gesungen, nur mit dem Unterschied, dass diese Frau, um dies hier ging, nicht Mabel sondern Gabel hieß.

Kennen gelernt hatte Strelitz Gabel am Morgen eines 14. Februar ohne sich bewusst zu sein, was dieser Tag für ein Tag war oder dass viele Menschen daran glauben, dass ihnen der erste Mensch, der ihnen am Morgen des 14. Februar zuerst über den Weg läuft, das Herz stehlen wird. Strelitz hatte gerade die Haustür hinter sich geschlossen um zur Uni-Bibliothek zu gehen. Er drehte sich um und stieß direkt mit ihr zusammen. "Hallo Fremder" sagte sie zu ihm mit rauchiger Stimme. "Mein Name ist Gabel. Einfach: Gabel. Und wer bist du?" Strelitz entschuldigte sich für den Zusammenstoß, sagte artig seinen Namen auf und fügte auch gleich noch Sternzeichen und Aszendenten hinzu. "Das kann doch jedem einmal passieren" entgegnete Gabel und fünf Minuten später saßen sie im Obergeschoss des Literatencafes.

Gabel war so ziemlich das hübscheste Geschöpf, das Strelitz jemals gesehen hatte. Dieser Mund, dieser Blick, dieses Haar. Strelitz war klar, dass sie um Klassen zu gut war für einen wir ihn. Keine Frage, in Gabels Gegenwart wäre sogar Marlene Dietrich kleinlaut geworden. So eine Frau wie Gabel würde sich unter normalen Umständen mit einem wie Strelitz niemals befassen. Reine Zeitverschwendung; ganz klar. Das aber warf die Frage auf, warum sie jetzt, hier, in diesem Moment bei ihm saß.

"Trockene Luft hier" hauchte sie Strelitz ins Ohr und der bestellte sofort ein Glas Champagner für sie. "Champagne ... uh ... schöner Anfang", hauchte Gabel zurück. Mehrere Flaschen Champagner später fuhren beide mit dem Taxi zum Residenz-Hotel. Sie suchten erst gar keine Gründe für das, was darauf folgte und schon zehn Minuten später wälzten sie ihre Leiber ineinander verschlungen auf dem Hotelbett. Einmal nur wanderten Strelitzs Gedanken weg von ihrer ebenen Haut, ihrem Maiglöckchen-Teint, ihren Oberschenkel-muskeln, ihren .... 'Basic Instinct' kam ihm in den Sinn und er versuchte unter dem Bett einen Eispicker zu ertasten - allerdings und zum Glück vergebens.

Eine halbe Minute später hatte ihn seine lebendige Traumfrau dann wieder ganz unter Kontrolle und Strelitz war alles egal. Gabel war eine Göttin und wenn er ums Leben kommen sollte, dann nur durch sie. Doch Strelitz kam nicht ums Leben; ganz im Gegenteil. "Mein Gott", sagte Gabel zu ihm. "Damit könnte man ja ganze Volksstämme gründen." Dann drückte sie ihn an ihre Brust und Strelitz schlief friedlich ein.

Als er wach wurde, war Gabel verschwunden. Gemeinsam mit Strelitzs Geldbörse und den 2.800 Dollar, die er mitgenommen hatte, um seinen Flug nach Miami zu zahlen. Strelitz war sich schnell sicher, dann Gabel unmöglich eine Betrügerin sein konnte. Vielleicht hatte feindliche Agenten Gabel mitsamt seiner Geldbörse entführt. Oder aber Gabel hatte das Geld dringend für die anstehende Krebsoperation ihrer Mutter gebraucht. Dass sie dafür gerade mein Geld genommen hat, rief Strelitz triumphierend. Das ist eine Auszeichnung für mich.

Strelitz rief Uli an und bat ihn darum, vom Bandsparbuch die Hälfte abzuheben und ihm das Geld zur Rezeption zu bringen. Damit zahlte er die Hotelrechnung. Auch im Literaten-Kaffee gab es wegen des abrupten Abschieds am gestrigen Tage noch einige leere Champagnerflaschen zu bezahlen und der noch immer vor dem Residenz-Hotel auf ihn wartende Taxifahrer vertraute ihm an, dass er Gabel heute morgen zum Flughafen gefahren hätte. Strelitz zahlte auch dessen Rechnung und gab ihm sogar noch ein kleines Trinkgeld dazu. Dann überlegte er kurz, ob er eine Detektei damit beauftragen sollte, Gabel zu finden, sagte sich dann aber, dass es ist nicht gut war, nach dem Glück mit Messern zu werfen.

Als Strelitz sich mit dem Taxi zu seiner Wohnung zurückchauffieren ließ, hörte er im Autoradio Heinz Rudolf Kunze singen "Was wir brauchen ist: Zeit, Zeit, Zeit. Liebe ist Zärtlichkeit ...". Und er fand: Der Mann hatte recht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen