Mittwoch, 10. März 2010

Strelitz bekennt sich zu: Inge Meysel

Ein wenig eigensinnig war sie ja schon immer. Aber jetzt machten sich ihre Freunde und Nachbarn Sorgen um die große Schauspielerin. Die 92-Jährige Inge Meysel soll geistig verwirrt sein, berichtete das Fernsehen, und nun lies sie sogar einen ominösen Wunderheiler namens ‚Johnny D.’ bei sich wohnen.

Auch Strelitz sorgte sich um die ‚Mutter der Nation’ und machte sich auf die Reise nach Hamburg. Vor Monaten hatte er im Internet ein Manuskript über sie ersteigert, mit handschriftlichen Änderungen Inge Meysels. Mit dabei gewesen war der Rücksendeumschlag und so wusste Strelitz, wo er Inge Meysel finden konnte.

Während der Zugfahrt hatte er Zeit sich durch mehrere Zeitungsberichte ein Bild vom Zustand Inge Meysels zu machen. Im Titelfoto des ersten Artikels stand ein Auto quer in der Einfahrt der Meysel-Villa, blockierte die Zufahrt zum Gelände. Vor dem Auto ein Mann, aufgebracht und wütend; ein Bekannter der Schauspielerin. Er sagt den Reportern: "Hier kommt der Kerl nicht mehr rein!“. Der fremde Mann im Haus der Meysel, den Nachbarn und Freunde vertreiben wollen - niemand kennt ihn. Aber alle können nicht verstehen, dass die alte Dame einem völlig fremden Mann ihr Vertrauen schenken konnte. Der Bekannte sagt: "Von Mittwoch auf Donnerstag hat er bei ihr übernachtet. " Gemeinsam mit den Nachbarn macht er mobil. Einmal hat er den dubiosen Wunderheiler ‚Johnny D.’ schon des Grundstücks verwiesen, die Einfahrt zu dem Grundstück zusätzlich mit einem dicken Fahrradschloss gesichert.

Eine andere Zeitung berichtet, dass man auch auf dem Nachbargrundstück dem neuen Fremden in Meysels Leben misstrauisch gegenüber steht. „Wir sind in größter Sorge, weil Inge Meysel vorher noch nie einen Fremden in ihr Haus gelassen hat und wollen, dass der Strolch da nicht mehr reinkommt.“ Eine große Boulevardzeitung weiß gar, dass die alte Dame alters-dement sei; ein Dementi von Inge M. stehe weiterhin aus. Und man legt nach: Zwei Altenpflegerinnen werden zitiert, die Inge Meysel nach ihrer Meniskusoperation sechs Wochen lang betreut haben. Über die Lebensumstände heißt es: "Sie wäscht sich so gut wie gar nicht, ernährt sich von Dosensuppen. Wenn sie einmal kocht, ist das Essen ungenießbar. Danach wirft sie alles weg."

Um 16 Uhr kam Strelitz in Hamburg an und fuhr mit dem Taxi nach Bullenhausen. Mit dabei hatte er seine Standartausrüstung ‚D’ für spontane Hilfeleistungen vor Ort: Sonnenbrille, Isotonisches Erfrischungsgetränk, Erdnüsse. Vor Meysels 200-Quadratmeter-Villa waren weder Nachbarn, noch Polizisten, noch Reporter zu sehen. Das war nach dem Medienrummel der letzten Tage mehr als merkwürdig. Er klingelte bei ‚Olden’, denn so hieß Inge Meysel mit richtigem Nachnamen, aber niemand öffnete ihm. Eine knappe halbe Stunde wartete Strelitz vor der Villa, ohne dass ihn ein Nachbar verjagte, dann ging er den Weg zum Taxistand zurück. Nach ein paar hundert Metern sah er auf einer Bank unter einer Ulme eine ältere Frau sitzen. Inge Meysel? Tatsächlich - sie war es.

Strelitz traute sich anfangs nicht sie anzusprechen. Alt sieht sie aus, dachte er sich, und sie hat mindestens doppelt so viele Falten im Gesicht wie Nina Hagen. Inge Meysel saß weiterhin da und atmete schwer. "Geht es ihnen gut?" sprach Strelitz sie dann doch an. Die Ur-Mutter der Nation sah ihn an und sagte leise, sie hätte Kreislaufprobleme. Einen Augenblick, antwortete Strelitz, öffnete die Flasche mit dem Iso-Getränk, und lies sie davon trinken. Mit jedem Schluck ging es ihr sichtbar besser. Ihrer Laune auch. "Ich dachte schon, sie würden mir Mordwasser anbieten. Ich für meinen Teil habe immer eine Mord-Pille dabei; für alle Fälle. Damit bin ich nun schon 92 Jahren und acht Monate alt geworden." Strelitz versicherte ihr, dass es sich nicht um Mordwasser gehandelt hat sondern um ein isotonisches Getränk, dass von der NASA entwickelt worden war. "Also eher ein Mondwasser" sagte Meysel und lud Strelitz zu sich in die Villa ein. Strelitz folgte, blickte sich aber immer wieder um, ob ihn nicht irgend jemand für eine neue Bedrohung in Meysels Leben halten könnte.

Im Gästetrakt der Villa bot ihm Inge Meysel eine Linsensuppe aus der Dose an. "Das, mein Lieber, bin ich meiner Rolle als berufstätige Mutter schuldig." Und die Meysel lachte; mit 92 Jahren und acht Monaten. Was er beruflich machen würde, wollte sie von ihm wissen. Strelitz sagte, er sei Ideenlieferant, Journalist und Künstlermanager. Derzeit sei er gerade einer heißen Sache auf der Spur. Aber natürlich hatte auch er Fragen an sie. Wer ‚Johnny D.’ sei, wollte Strelitz wissen. "Johnny D. - Wer soll das sein?“ fragte die Grande Dame des Fernsehens. "Meinen Sie den jungen Schauspieler aus ‚Edward’ und ‚Chocolat’, Johnny Depp?" - Strelitz merkte, dass er hier nicht weiter kam. "Heißen Sie vielleicht Johnny D.?" wollte Meysel/Olden nun von ihm wissen. Strelitz überging die Antwort und fragte zurück, ob Inge einen Fernseher habe; gleich käme RTL ‚Explosiv’. Da gäbe es einen interessanten Bericht, und den könne man sich vielleicht zusammen anschauen. Inge Meysel erklärte resolut, dass sie seit Jahren kein Fernsehen mehr angeschaut habe. Das Leben wäre viel interessanter als jede Fernsehsendung. Aber sie hätte noch einen japanischen Taschenfernseher, den könne er haben. Dann klingelte es an der Tür. Meysel öffnete und zwei gut un-informierte Männer traten ein. Sie würden sich gerne einmal mit ihrem Besucher unterhalten, sagten sie zu Frau Meysel.

Auf der Wache erklärten die Polizisten Strelitz, dass sie von einem Nachbarn von Inge Meysel gerufen worden seien. Also doch, murmelte Strelitz. Er hätte sich auffällig lange vor der Villa herumgetrieben, öfters umgeschaut und sei dann von der alten Dame hinein gebeten worden. Was er denn dort gewollt habe?

Inge Meysel kann derweil die ganze Aufregung um Johnny D. nicht verstehen. Am Telefon klingt sie normal. "Ist doch alles Unsinn", sagte sie einer Reporterin. "Ich bin so allein, wie man mit 92 Jahren nur sein kann. Ich lasse keinen Fremden bei mir wohnen, ich bin doch keine Idiotin." Sie behauptet, Johnny D. auf der Straße kennen gelernt zu haben. "In meinem Haus war er nur ein einziges Mal. Er war reizend zu mir, hat mir hübsche Dinge erzählt, aber er hat nicht bei mir gewohnt. Er hat mir Mondwasser geschenkt und ich habe ihm dafür einen kleinen Fernseher gegeben, den ich nicht gebrauchen kann.“ Auch bei der Polizei macht man sich keine Sorgen: "Wir kennen Frau Meysel ja und wissen, dass sie ihr Leben bislang gut im Griff gehabt hat. Wir gehen davon aus, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird", so ein Polizeisprecher.

Johnny D. (schwarze Brille, kräftig, um die 40) hingegen wollte sich gegenüber der Presse nicht äußern. Fragen zu Inge Meysel beantworte er nur per E-Mail, erklärte er. Auf die Frage, wie man ihn erreichen könne, sagt Johnny D. lakonisch: "Auf dieser Erde."

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