Dienstag, 16. März 2010

Strelitz begleitet HRK 2003: (4) Große Freiheit inklusive

21. Mai 2003: ”Ein neues Album ist bereits eingespielt und abgemischt und kommt im Frühjahr 2003 in die Plattenläden.” stand über Heinz Rudolf Kunzes Hamburger Konzert leicht angestaubt im Internet zu lesen und weiter hieß es da ”Nach der Veröffentlichung geht Heinz Rudolf Kunze mit seiner Verstärkung dann auf Tournee. Fans wissen, was sie erwartet: Guter Rock'n Roll mit aussagekräftigen deutschen Texten. Erleben Sie eine Institution des Deutschrocks live.” - Deswegen war Strelitz nicht nach Hamburg gekommen. Nein! Er wollte die Aufzeichnung der Kunze-DVD miterleben, die auf dem Kiez fürs Weihnachtsfest produziert wurde. Hamburg war Strelitzs fünftes Konzert auf der ”Rückenwind”-Tour und er wollte dieses Mal auch herausfinden, ob Heinz seine Bemerkung ”Na, Ihr vielleicht schon...”, die er normalerweise in jedem Konzert zur gleichen Zeit zum Publikum sagte, die seit Erfurt aber leicht verfrüht kam, heute zum richtigen Zeitpunkt machen würde.

Um 19 Uhr 50 war Strelitz im Hamburger Hauptbahnhof angekommen und lief von dort aus schnell zum Mönckebrunnen, wo die beiden berühmtesten Imbisse Hamburgs waren. Nur dort gab es für fünf Euro die ultimative Currywurst-Herausforderung: Ihr Name ”Jumbo". Legendäre 42 Zentimeter lang und 240 Gramm schwer, serviert mit zwei Brötchen und dazu extra viel Currygewürz.

Nachdem Strelitz bereits die Nordsee-Krise herbeigeführt und gut überstanden hatte war dies kein wirkliches Problem für ihn. Sein Problem hieß seit einigen Wochen Bobby Silbermann und war Aktionskünstler: ”1200-Kalorien? - Kein Problem,” hatte er in einer Zeitung getönt. Er habe immer Riesenhunger und außerdem würde er besonders die Extraportion Curry mögen. Und das stimmte. Die beiden hatten sich kennen gelernt und Bobby hatte ihn schon zwei Mal im Einhandessen besiegt. Drei Mal jedoch hatte Strelitz die Oberhand behalten, weshalb er leicht in Führung lag. Heute aber war er nicht mit Bobby verabredet, denn Strelitz wollte wenigstens einmal in Ruhe essen gehen.

Wie immer wurde er von Imbiss-Boss Hans Werner begrüßt, der ihm trotz der später Stunde als Vorspeise eine Krakauer-, eine Schinken- und eine Thüringer-Wurst servierte. Als Hauptgang gab es dann die Jumbo-Currywurst im Dreier-Pack und ein Liter Cola-Light. ‚Light‘ musste sein, denn Strelitz war ja schließlich Diabetiker. Nicht länger als 34 Minuten dauerte sein Besuch am Imbiss und dann fühlt er sich gestärkt genug um via S-Bahn zur Reeperbahn zu fahren und von dort aus die große Freiheit zu betreten.

Die Große Freiheit schien Strelitz im historischen Rückblick der angemessene Ort für Kunzes DVD-Konzert zu sein, war sie doch seit alters her ein Ort von Religions-, Gewerbe- und künstlerischer Freiheit gewesen. Auch an jenem grauen Tag des Jahres 1960, als fünf junge Musiker aus Liverpool auf der Grossen Freiheit die damals noch kleine und wackelige Bühne im Kaiserkeller betraten. Sie wurden beinahe ein Jahrzehnt lang die stärkste schöpferische Kraft der modernen Populärmusik und boten mit ihren Songs nicht nur Strelitz damals ein wirkungsvolles Identifikationsmodell zu einer durch Umbruch und Wertewandel stark geprägten Zeit, als der Zweite Weltkrieg gerade mal fünfzehn Jahre her war.

Und Strelitz gab den Beatles damals das zurück, was sie ihm vorgegeben hatten: Er wurde ihr Guru bei ”Sgt. Pepper...” und hatte deshalb lange mit sich gerungen, ob er an diesem Abend in die AOL-Arena zu Sir Paul McCartney gehen sollte, sozusagen als ”The Return of the Guru” oder zu Heinz um diesem Rückenwind zu geben. Am Ende seiner Überlegungen war Strelitz die große Freiheit lieber gewesen, als die kleine Aussicht auf Sir Pauls Erinnerung. Und vielleicht klappte es ja doch mit Paul, und zwar dann wenn es zur Zusammenführung von Paul McCartney und HRK kam.

Als Strelitz auf seinem Weg zu Kunze über die Große Freiheit spazierte, wurde es richtig still um ihn herum. Menschen blieben stehen, drängten zur Seite, tuschelten und staunten über den, der durch Ihre Reihen ging. Plötzlich trat ein Jüngling vor, stellte sich vor Ihn -ein Raunen ging durch die Reihen- und der Jüngling sprach tatsächlich Strelitz an: ”Hey, Du hast noch Curryketchup am Mund.” - Stille. Nach sekundenlangem atemlosen Schweigens öffnete Strelitz seinen Mund, sagte ”Danke Svennie!” und ging in die Halle. Der Jüngling mit der 'FC St. Pauli'-Basecap schaute ihm hinterher und betrat dann auch die Große Freiheit 36. Wahrlich, dachte er sich, ich habe Strelitz gesehen und erkannt. An seinen Schuhen. Wie er es vorhergesagt hatte. Und er hat mich gesehen. Und meinen Namen gewusst. - Was für ein Tag.

Doch sollte Svennie schnell erkennen, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben sollte. Vor allem dann nicht, wenn Heinz Rudolf Kunze in der Stadt war.

"Dabei sein ist alles" war als Titel des Abends ausgegeben worden und immer wenn draußen Schweinewetter ist, dann ist die Große Freiheit umso schöner. Strelitz hatte sich im Vorfeld via Internet noch schnell eine Karte fürs Konzert besorgt, denn die Halle war bis zum letzten Fleck mit Menschen und Kameras gefüllt, um nicht zu sagen: überfüllt. "Hallo! Es wird eine Liveaufnahme geben und Ihr hier in Hamburg sollt sie unterfüttern mit Eurem Jubel". Heinz war zum Ende der Tour genauso gut drauf wie am Anfang und so sollte er auch auf den Bildschirmen und Heimmonitoren rüberkommen. - Strelitz fragte sich ernsthaft, wie er das wohl macht. Schnupftabak allein reichte da nicht mehr aus.

"Dabei sein ist alles" galt auch für etliche WuKis, die den Weg nach Hamburg gefunden hatten. Strelitz sah viele von ihnen zum ersten Mal. Frank zu finden war nicht weiter schwer, denn er sah noch genauso aus, wie auf den Fotos aus dem Home-Studio. Gleiches galt für MvS den Strelitz vor der Bühne entdeckte und genauso war, wie er sich auf seiner Homepage präsentierte. Svens Tarnkappe war unübersehbar (im Saal wie auf der kommenden DVD) und Strelitz entdeckte gleich neben ihm auch noch den Hamburger Andre und einige andere WuKis.

Strelitz verbrachte fast den ganzen Abend neben dem Verfolgungsscheinwerfer und hatte so den besten Überblick. Vor allem war er dort für die Kameras unsichtbar. Ebenso wie für die WuKis, die eifrig nach ihm suchten. Doch trotz Svennies Fahndungsaufruf war er einmal mehr unauffindbar und das hatte seinen Grund, denn Strelitz hatte in der Halle sein Jackett ausgezogen, die Schuhe gewechselt und auf der Toilette seinen Bart abrasiert. Außerdem trug er nun seine Sonnenbrille. Nur ein einziges Mal drohte er enttarnt zu werden. Ein weibliches Wesen namens Jeanette fragte ihn, ob er Strelitz sei und obwohl er verneinte machte sie ein Foto von ihm: Strelitz neben dem Scheinwerfer. Gegen solche Aufnahmen hatte er natürlich nichts, weil "...wenn ich Fotos von dir mache, ist da immer so ein weißer Fleck wie Schnee...". Strelitz sang übrigens aus vollem Halse mit. Dies allein schon, um nicht aufzufallen, denn es gab wohl niemanden in der Großen Freiheit 36, der an diesem Abend nicht am Mitsingen war. Nach dem Ende des Konzertes hatte Heinz die Tortour überstanden, bedankte sich beim Publikum und Strelitz hatte noch fünfeinhalb Stunden bis sein Zug nach Hause fuhr. Zeit genug um sich langsam von den Kunze-Fans wegzubewegen und ein wenig auf der Reeperbahn zu recherchieren.

Zwei Namen waren es, die seine Begehrlichkeiten weckten: "After Shock" und "Club 32". Das "After Shock" war ein Club, der von außen recht düster wirkte, bei dem innen aber alles ganz anders war. Chrom und Bonbonfarben überall und die Theke war ein echter Hingucker. Sogar die Musik lies nichts zu wünschen übrig. Es gab "Kunstkacke" und Gastgeber Fronk le Skonk skandierte dazu: "Wenn Kunst glänzen kann, warum nicht stinken?" Statt Sprach-Kot gab es aber doch verdauungsfreie Klänge von "Qua-C- Moto" und "2looseLoo-Treck", die sich kurzfristig entschlossen hatten, den Abend lieber auf der Bühne zu verbringen als auf der Toilette.

Als er um halb zwei wieder in der Freiheit war, bekam Strelitz Frischlust und suchte das "Johnny Blue" am Nobistor, vielen Hamburgern bekannt als Pub gleich neben dem 'Erotic Art Museum'. Doch lockte seit Neuestem in unmittelbarer Nachbarschaft auch ein Club unter demselben Namen die Kiezbummler an. Strelitz war schon auf der Zugfahrt in die Story eingetaucht, als er auf seinem Nebensitz eine "BILD-Hamburg" Ausgabe fand.

Es gab Streit um den Namen "Johnny Blue". Wegen eines "...unzuverlässigen Geschäftsführers..." -so der Hauseigentümer- hatte das Bezirksamt die Konzession für das "Johnny Blue" widerrufen. Vorausgegangen waren Unregelmäßigkeiten bei der Steuer. Daraufhin wollte er eine genauere Kontrolle der Bücher und setzte seinen Filius als neuen Geschäftsführer ein. Doch durch dessen Einflussnahme, so der "Johnny Blue"- Betreiber, sei das Club-Programm verflacht und wären dubiose Gestalten angezogen worden. Die Konsequenz: Er kündigte und zog mit dem neuen "Johnny Blue" in den "Club 32" der Fausi-Brüder, die auf dem Kiez auch das "Orient Café" betreiben. Sowas war 'Kiez-as-Kiez-can'. Die Eigentümer am Nobistor gaben natürlich nicht klein bei und drohen ihrem Konkurrenten jetzt mit einer Strafanordnung von 250.000 Euro bei einer weiteren Nutzung des Namens. Bis zur endgültigen Klärung heißt der Club also weiterhin "Club 32". Und sucht Herren, die sich etwas dazu verdienen können. - Auch das war die Große Freiheit.

Könnte er hier nicht sein Wissen über das weibliche Geschlecht um wesentliche Punkte erweitern? Es war kurz vor zwei Uhr und es hatte aufgehört zu regnen als Strelitz ernsthaft darüber nachdachte, ob er zukünftig als 'embedded journalist' recherchieren sollte. Beispiele für die erfolgreiche Arbeit eingebetteter Journalisten gab es ja genug. Und das nicht erst seit Doris Schröder-Köpf.

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