Montag, 15. März 2010

Strelitz ist: Urdeutsch

"Well, when Cupid shot his dart
He shot it at your heart
So if we ever part and I leave you
You sit and hold me and you tell me boldly
That some day, well I'll be blue"
(Charles Hardin Holley)

Als Strelitz das letzte Mal in die USA reiste, lernte er durch Zufall Shiela kennen. Nach dem Besuch des Buddy Holly Centers in Lubbock/Texas saß er nun in "Don Bighams Smokehouse" in der Buddy Holly Ave., aß ein "Lone Star"-Steak und entdeckte, währenddem er auf eine frische Flasche BBQ-Sauce wartete, an der Pinwand einen Zettel, auf dem in Deutsch "Wer übersetzt mir deutsche Briefe? In Liebe, Sheila" stand.

Nachdem Strelitz sein Steak aufgegessen hatte, rief er umgehend die angegeben Numnmer an. Sheila war der wohl größe Deutschland-Fan, den Strelitz in seinem ganzen bisherigen Leben kennen gelernt hatte. "Alle Deutschen haben viel Kraft", sagte sie zu ihm, als er ihre Frage, ob er denn tatsächlich aus Deutschland komme, wahrheitsgemäß beantwortet hatte. "Ik glaube", sagte sie, "dass der deutsche Wald Euk die Kraft schenkt. Schon seit die Zeit von die Barbaren". Auf Strelitzens Hinweis, dass es zur Römerzeit auch in Frankreich Barbaren gegeben habe, sagte Shiela bloß: "So ein Quatsch ist das. Franzosen sind anders. Das sind eben keine Deutschen und einen deutschen Wald gibt es in Frankreich auch nikt".

Sheila begann über Eichen, Buchen, Eschen und das ganze andere Waldinvemtar zu schwärmen, vor allem liebe sie den Schwarzwald, wie sie betonte. Dann kam sie zum eigentlichen Grund für das Telefonat. Strelitz, sagte Sheila, solle Briefe ihrer deutschen Brieffreundin übersetzen, die sie nicht ganz verstanden habe. Ob es so gegen sieben Uhr Abends passen würde? Strelitz sagte zu.

Irgendwie hatte Strelitz das Gefühl, dass er bei Sheila nicht erst ausgiebig Smalltalk machen müsse, bevor es zum eigentlichen Ziel eines jeden Dates übergehen würde. Sonst musste man sich als Deutscher im Ausland wie verrückt anstrengen, den Bauch einziehen, trinken, in drögen Bars oder Discotheken tanzen, mit gebildeten Mittelklassemädchen unsinnigen philosphischen Kram bereden, bevor es zum Beischlaf kam. Bei Schiela schien es zu reichen, den deutschen Pass vorzuzeigen, um mit ihr zu vögeln.

Als er sie abends anrief, um sich zu ihrem, in einem der südlichenVororte von Lubbock gelegenen Appatement durchzufragen, begrüßte sie ihn mit einem "Gut, dass du jetzt anrufst", und fügte "Ik war beim duschen und bin gerade nackt zum Telefon gerannt." Streliz dankte für die Information und fragte noch einam nach dem genauen Weg zum Appartement. Sheila erklärte es ihm und wies Strelitz außerdem noch auf Folgendes hin: "Ik habe eine Katze, die heißt Wagner", "Meine Tür entdeckst du, weil ich da dran ein Plastik-Schnitzel geklebt habe" und "Ik habe schon deutsches Bier für dich gekauft".

Strelitz war leicht nervös, als er zu Sheilas Haus ging, dann hatte er aber auch schon die Tür mit dem Schnitzel erreicht. In ihrem Appartement sah es aus wie in einem kitschigen, deutschen Museum. Sheila hatte mehrere Sofas, auf jedem einzelnen lagen mindestens drei Kissen, alle mit der Handkante in der Mitte geteilt. An der Wand hing ein Bild von einem röhrenden Hirsch und ein Poster von Schloss Neuschwanstein. Auf einem Sideboard lagen einige Bände von "Bild der Heimat"; Strelitz konnte Hefte über Berln, Hamburg, Bayern und das Ruhrgebiet erkennen. Aus einem Nebenraum kam Wagner angerannt und rieb sich an Strelitzens Bein Bein.

"Was soll ich dir kochen?", fragte Sheila. "Oder wollen wir erst ein Bier trinken?" Strelitz entschied sich für das Bier. Sheila hatte gut vorgesorgt und mehrere Flaschen "König Ludwig"-Weizenbier besorgt. Nachdem beide einige große Schlucke aus ihren Flaschen genommen hatten - Shiela war offensichtlich noch nicht ganz mit der Tradition, aus Weizenbiergläsern zu trinken, vertraut -, sagte sie zu Strelitz: "Komm, ick zeige dir meine Wohnung".

An der Wand der Küche hingen Zeitungsauschnitte wie "2:1 - So ein Tag" von 1974, "Die Mauer ist offen" von 1989 oder "So starb Graf Trips" von 1961. Sheila bemerkte Strelitzens Interesse und stellte ihm danach gleich ihr Schlafzimmer vor. An der Tür hing ein Poster von "Tangerine Dream", über dem Bett die DDR-Flagge und neben dem Schlafzimmerschrank eine Ritterrüstung, die entweder aus dem "Herr der Ringe"-Film war und einst Hobbits gedient hatte oder einfach nur für einen jungen Ritter gefertigt worden war. Rechts neben der Zimmertür hingen zwei Reh-Geweihe, auf dem einen hatte Sheila einen grauen Hut mit einem Gamsbart gehängt. Strelitz setzte sich auf das Bett, während Sheila ihren Pullover auszig. "Machst Du mal die Musikanlage an", bat sie ihn. Strelitz tat wie befohlen und schon dröhnte "Tokio Hotel" los. Sheila begann mizusingen, während sie ihre Jeans auszog.

"Schrei! - Bist du du selbst bist. Schrei! - Und wenn es das letzte ist. Schrei! - Auch wenn es weh tut. Schrei so laut du kannst!". Obwohl Strelitz bisher seinen Ausweis noch gar nicht vorgezeigt hatte, trug Sheila nun bis auf ihren Slip und den BH gar nichts mehr. Während Bill Kaulitz weiterhin schrie, schubste Sheila Strelitz auf ihr Bett.

Nachdem sie ihm die erste Ehre seines Besuches bei ihr erwiesen hatte, wischte sie die Überreste mit einer großen, weiß-blauen Serviette von seinem Bauch und sagte: "Ik hole uns erst mal einen Schnaps". Sie gab Strelitz die Flasche, was dieser als Aufforderung zum Trinken missverstand. Als er einen kräftigen Schluck nehmen wollte, sagte sie zu ihm: "Lies mir erst mal das Etikett." Strelitz drehte die Flasche und betrachtete sie. Ein Huhn war darauf abgebildet, es war echter "Nordhäuser Doppelkorn".

"Iss das mit Hühner?", fragte ihn Sheila. Strelitz klärte sie darüber auf, dass dies ein rein biologisch-alkoholisches Produkt sei, aus Korn, worauf Sheila gluckste und sagte, dass sie froh sei, dass für diesen Schnaps "keine Huhn" sterben musste. Mit jedem Wort, das Strelitz nun vom Etikett las, rückte Sheila näher an ihn heran und kommentierte Worte wie "roggenecht" mit "oohh" und "Traditionsbrennerei" mit "yeahh". Bald gingen ihre Töne in ein Stöhnen über, und sie fingerte schon wieder an Strelitz herum.

Strelitz schloss die Augen … nur, um sie Momente später wieder zu öffnen. Sheila befühlte seine Pobacken, seine Armmuskeln, seine Schenkel und sagte gurgelnd-triuphierend immer wieder: "Deutsch". Strelitz wurde etwas mulmig zumute und als sie fertig damit war, auf ihrem deutschen Ross Rodeo zu reiten, sprang Strelitz auf, nahm einen großen Schluck "Nordhäuser Doppelkorn". "Ich muss jetzt weg", sagte er, lief am Mauerfall vorbei, quer durchs Heimatmuseum, fiel bei dem Versuch, sich seine Hose anzuziehen über ein aufgeschlagenes Brockhaus-Lexikon und entdeckte, dass an der Innenseite von Sheilas Wohnungstür ein Bild von Adolf Hitler hing.

Nichts wie raus, dachte er. Als Strelitz wieder auf der Straße stand und ein Taxi rief, hörte er Sheila aus dem Fenster rufen. "Schade, dass du keine Zeit mehr hast. Komm doch morgen wieder, dann lest du mir die Briefe meiner Brieffreundin vor". "Das geht nur im Wald", rief ihr Strelitz zu, als er ins Taxi stieg, und bereute dies schon im gleichen Moment, denn Sheila würde das als Einladung nach Deutschland mißverstehen und ihn in Bälde schon besuchen kommen.


Nach einer Idee von Philipp Kohlhöfer.

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