Dienstag, 9. März 2010

Strelitz erklärt sich zu: Eichenlaub

Geboren aus Römischen Ruinen, auferstanden aus Germanischen Wurzeln, gelitten und mißbraucht in tausendjährigen Reichen und davon hattest Du einige. Jeden Monat, jeden Wochentag wirst Du daran erinnert. Große Künstler hast Du geboren, Wissenschaftler und Philosophen; alles hast Du archiviert, fein säuberlich. Doch jetzt gibt es nichts mehr abzulegen; abzuleugnen schon gar nichts.

Früher, ja früher, da warst Du wirklich ausländerfreundlich. Jedenfalls bis der Mann aus den Bergen kam und sogar auch noch danach, als er wieder weg war. Dann war Deine Meinung zwar schon etwas geteilter, aber Jimmy und Gregori duften zumindest eine Zeit lang bleiben. Dazwischen warst Du dreizehn Jahre lang inländerfeindlich und spieltest ausgiebig Mono-Paroli, schicktest Dein eigen Fleisch und Blut ins Gefängnis mit selbstgeschriebenen Ereigniskarten. Braun brauchte keine Hautfarbe mehr zu sein; wozu hattest Du Uniformen. Von Eva ganz zu schweigen. Dabei konnte es durchaus juden treffen, und wenn es die traf, dann traf man sie seltener, bis man sie schließlich überhaupt nicht mehr traf. Wer hat Angst vor David Stern? Niemand, und wenn er kommt, dann laufen wir. Führerlos durch die Geschichte driften! Eine Feste Saalburg sei unser Herz um dann auf Kaiserwetter zu warten, während dem Deine Physiker in Bad Stockhausen elektronische Experimente mit Kunstköpfen machen, indem sie versuchen ihnen nahe dem Neanderthal neues Leben einzuhauchen. Während dem kommt Wernher V-2 Brauns Kulturerbe im Ausland hoch hinaus; Du könntest mondsüchtig werden. Und niemals vergessen: Kein schlechtes Wort über Israel verlieren! Das soll den Arabern überlassen bleiben. Jedenfalls den guten Arabern. Die schlechten weckst Du auf und schickst sie samt ihrer Müllfahrzeuge zurück in 1001 Nacht.

Wer unsere Hilfe will, bestimmst Du: Wir exportieren exotisch mißgebildete Kinder in die heimischen Operationssaäle mit Grußkarten, währenddem wir Greencards an die einen verschenken und die anderen dafür am liebsten auf Seelenverkäufer laden würden mit einem Heimatkurs, für den es weder Ticket noch Wechselgeld. ”Etwas besseres als den Tod...?” Kolonialmacht doch nichts. Du haben keine schwarze Seele, wir ein reines Gewissen.

Dir macht sowieso keiner so leicht etwas vor. Auch wir können alles erklären und haben genug Entwicklungshilfe geleistet, damit es alle glauben. Glauben jedenfalls wir. Rein sportlich gesehen bist Du verrückt nach Ruhm und Anerkennung. Hier ein kleiner Rempler, da ein kleiner Stempler und aus einem formidiabolischen Rennrambo wird in den kanadischen Wäldern ein Eishockeyspieler Neu-Deutscher Gesellschaft. Dafür exportieren wir Langläufer in südlichere Gefilde, denn Höchstleitungen erbringen wir trotz (nicht: wegen) Dopings. Wie immer sind wir auch in dieser Beziehung besser als andere Nationen, denn wir haben unsere SportlerInnen immer besser in den Griff; der Untersuchungs-Ausschuß wird hart bestraft. Damit haben wir nichts zu tun - absolate. Wir vergeben und vergessen gerne, haben die Halbwertzeiten der Geschichte entdeckt und dafür den Friedensnobelpreis redlich verdient. Juden sind heutzutage wieder gesellschaftsfähig, geschäftstüchtig und natürlich am besten angezogen; ein kleiner Ausgleich für gestreifte Anzüge früherer Zeiten.

Und doch ist es schon Anfang Herbst. In Dir ist schon lange nichts mehr nachgewachsen an großen Namen. Das Laub fällt: Eichenlaub. Aber wir heben es auf und verleihen es uns als etwas Besonderes, wie es auch uns etwas besonderes verleiht. Denn wir sind ja auch etwas Besonderes; wir sind für alle Zeiten korrekt geeicht!

Was bleibt ist nicht viel. Der Lack ist ab, wir haben an der Fassade gekratzt und der Dreck brennt uns unter unseren Nägeln. Aber natürlich werden wir es schaffen. Wie wir es schon immer geschafft haben. Auch den Winter, der kommen wird, werden wir so überstehen. Es kann sogar der heißeste Winter werden, den die Welt je gesehen hat. Bei unseren Möglichkeiten.

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