Mittwoch, 10. März 2010

Strelitz findet: Feenstaub

Sanft schwebte die braune Fee jeden Abend aus dem Erzgebirge heran. Wenn Strelitz vorsichtig an ihr roch, duftete sie naturrein nach Wurzeln und Beeren. Und natürlich ein klein wenig nach Alkohol, wie es manchen Frauen anheim ist. Der Alkohol gab ihr die Kraft zu schweben und Strelitz schwebte mit ihr. Gemeinsam verbrachten sie interessante Stunden unter alten Ulmen, in denen sie sich gegenseitig so manche Geschichte erzählten. Aber: Auch wenn er zugeben musste, dass es schön war mit der braunen Fee, so gehörte Strelitz ihr doch nicht allein. Sein geheimer Wunsch war es, einmal eine einzige Nacht fremd schweben zu dürfen. Schweben mit der grünen Fee. Und jedes Mal, wenn Strelitz tief in braune Augen blickte, hoffte er, dass Feen keine Gedanken lesen können. Und falls doch, dass er dann nicht aus allen Wolken fallen würde.

Die Anwesenheit der grünen Fee, dass wusste Strelitz, war schwer zu beschwören. Die Zutaten hierfür gab es nur in Frankreich. Mehrmals hatte er bereits seinen Urlaub in Chalon-sur-Saone verbracht. Dort hatte sich die grüne Fee im Stadtinneren zurückgezogen in die Cathédrale St-Vincent. Mit der braunen Fee hatte er sich auf dem Campingplatz am Hafen in die richtige Stimmung gebracht. Immer, wenn sie ihn kurz nach Mitternacht verlassen musste um anderen Männern Freude zu bereiten, versuchte Strelitz mit einer Mischung aus drei Teilen Apfelschorle und einem Teil Absinth die grüne Fee zu rufen. Das reduzierte zwar die Brennbarkeit seines Zaubertrankes, lies sich aber leichter einnehmen als zwei Teile Volvic und zwei Teile Absinth. Ohne alles schmeckte der Absinth leicht bitter und Strelitzs Versuch, die Fee nur mit Hilfe von Absinth zu rufen ging viel zu oft schief, da er die richtige Menge hierfür nicht abschätzen konnte. Sich sabbernd auf dem Boden der Toilette des Campingplatzes an deren Wänden festzukrallen, um die Erdrotation aufzuhalten, konnte nicht ewig unentdeckt bleiben. Niveau und traumhafte Balance zwischen Verwegenheit und Anbetung, das war die Voraussetzung unter denen die grüne Fee es Strelitz hoffentlich gestattete, sie besuchen zu dürfen. Strelitz versuchte es deshalb mit Zuckerwürfeln, über die er nach einer Minute entzündeter Leidenschaft den Absinth tropfte: "Fee-Flambé" hatte er dieses Ritual getauft. Aber man konnte sein Glück nicht erzwingen. Also versuchte er es jede Nacht aufs Neue.

Den heißen Saft herunterschlucken und dann unter dem Sternenhimmel liegend zu warten - Wie oft er das Ritual wiederholt hatte, dass wusste er nicht mehr. Aber eines Nachts hatte er es geschafft. Erst bemächtigte sich etwas seiner Schläfen, dann der Stirn und ging über die Wangenknochen und das Herz in die Arme über. Strelitz bemerkte, dass es sich wie autogenes Training anfühlte. Und dann schlüpfte etwas aus ihm heraus: Kein Zweifel, vor ihm schwebte die grüne Fee.

Als erstes erklärte sie ihm, die Affäre mit der braunen Fee müsse aufhören. Das wäre das Feen-Evangelium und er hätte es zu beachten, sonst würde sie ihn wieder verlassen. Aber wenn er ihr treu bleiben würde, sich mit keiner irischen oder amerikanischen Schlampe einlassen und auch den Verlockungen der Karibik widerstehen könne, dann sei sie ihm stets zu Diensten.

Strelitz schwor es und seine grüne Fee war einfach göttlich. Sie war sein Dornröschen, das immer so lange schlief, bis es von ihrem Prinzen geweckt wurde. Nicht zu vergleichen mit den ordinären Dschinnies. Tumbe Tröster in schwülen arabischen Nächten. Sie aber war für ihn Herrin und Dienerin zugleich. Sie konnte es für ihn sein, sie war es und sie tat es. Strelitz liebte sie dafür. An die braune Fee dachte er seither kaum noch. Und selbst wenn sie wieder einmal herangeschwebt käme, aus dem Erzgebirge, so würde er ihr nur sagen, sie solle sich schnell aus dem Staub machen.

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